Zweiter Round Table der Initiative „Wertvolle Wand“

Ablehnung: Klingt zunächst einmal negativ, kann aber durchaus zu bewussteren Entscheidungen führen. Mit ihrem zweiten Round Table widmete sich die Initiative „Wertvolle Wand“ genau diesem Thema. Die Teilnehmenden diskutierten, was es eigentlich alles beim Planen und Bauen abzulehnen gilt und welche Lösungsansätze sich daraus ergeben, die auf dem Weg zur Bauwende unterstützen.

Nach dem erfolgreichen Auftakt der Veranstaltungsreihe luden die Kooperationspartner der Initiative, vertreten durch Peter Theissing von KS-Original und Christian Poprawa von Saint-Gobain Weber, zu einer zweiten Runde ein. Unter dem Titel „Refuse“ diskutierten sie gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Grafe, Kathrin Albrecht, Carlo Sporkmann und Anna Lina Bartl. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Tania Ost.

Bestehendes schätzen und einfach weiterbauen

„Wir betrachten das Bauen immer noch durch eine rein ökonomische Brille“, stellte Wirtschaftsredakteur Carlo Sporkmann zu Beginn fest. Übereinstimmend betonten die Anwesenden die Notwendigkeit, ökonomische, ökologische, soziale und ästhetische Aspekte in Einklang zu bringen. Ziel sei eine nutzerorientierte Architektur, die unterschiedlichen Lebens-, Wohn- und Arbeitsformen gerecht wird. Auf die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit für ganzheitliche Lösungen verwies die Ernährungs- und Agrarwissenschaftlerin Anna Lina Bartl.

Immer komplexere Anforderungen und so mancher Optimierungswahn am Gebäudebestand hätten, da waren sich alle Anwesenden mit Bedauern einig, teilweise zum Verlust historischer Bausubstanz geführt. Grundsätzlich sollte ein inspiriertes, pragmatisches und kreatives Weiterbauen am Bestand an die Stelle von voreiligem Abriss und Neubau treten, erklärte Prof. Dr. Christoph Grafe, der an der Uni Wuppertal Architekturtheorie und -geschichte lehrt. Architekturkommunikatorin Kathrin Albrecht betonte dabei die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Bevölkerung, um den Bestand als wertvolle Ressource zu schätzen und damit anders zu bewerten sowie angemessen zu pflegen.

„Ja“ zu Materialoffenheit und Deregulierung

Neben der Rückbesinnung auf regionale Bauweisen und Ressourcen plädierten die Teilnehmenden für mehr Materialoffenheit und Experimentierfreude im Bauwesen. „Wir dürfen uns nicht nur auf die eine Bauweise oder das eine Material konzentrieren. Stattdessen brauchen wir ein sinnvolles Nebeneinander verschiedener Wege“, sagte Christian Poprawa. Um Bauprodukte und -techniken weiterzuentwickeln, sei ein intensiver Austausch zwischen Bauindustrie und Architekturschaffenden nötig, regte die Runde an. „Gerade im Hinblick auf Rückbaubarkeit und Wiederverwendung könnten wir so gemeinsam den Weg zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ebnen“, ergänzte Peter Theissing.

Darüber hinaus wurden Deregulierung und die Schaffung innovationsfördernder Rahmenbedingungen gefordert. Gleichzeitig sollten auch Mitarbeitende in Genehmigungsbehörden ermutigt werden, mehr Verantwortung für ihre Region zu übernehmen. Für die genannten Lösungsansätze sei jedoch eine offene(re) Fehlerkultur im Bauwesen notwendig.

Architektur geht uns alle an

Abschließend waren sich alle einig: Die Haltung „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist nicht mehr akzeptabel. Stattdessen brauche es ein klares Bekenntnis zum Umdenken, zu mehr Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit sowie zu mehr Mut, Unsicherheiten einzugehen. Eine erfolgreiche Bauwende erfordere, miteinander ins Gespräch zu kommen und mehr Gemeinsamkeit zu wagen – durch Kommunikation, Vermittlung und Diskurs, wie es die Initiative „Wertvolle Wand“ vorlebt.

 

Bildmaterial:

Von links nach rechts: Christian Poprawa (Direktor Marketing Saint-Gobain Weber), Carlo Sporkmann (Wirtschaftsredakteur), Anna Lina Bartl (Ernährungs- und Agrarwissenschaftlerin, Gründerin von Mulembe Kaffee), Kathrin Albrecht (Ingenieurin und Nachhaltigkeitsmanagerin), Prof. Dr. Christoph Grafe (Lehrstuhl für Architekturgeschichte und -theorie, Uni Wuppertal), Dr. Tania Ost (Moderation) und Peter Theissing (Geschäftsführer KS-Original). (Foto: Brandrevier)

 

Den Status quo zu hinterfragen und vermeintliche Alternativlosigkeit abzulehnen, brachte Prof. Dr. Christoph Grafe zu Beginn in die Diskussion ein. (Foto: Brandrevier)

 

Für Peter Theissing bedeutet Ablehnung immer auch, bewusst eine subjektiv positivere Haltung einzunehmen. (Foto: Brandrevier)

 

Anna Lina Bartl, Ernährungs- und Agrarwissenschaftlerin, betonte die Notwendigkeit, dass das Bauwesen vermehrt die globale Perspektive berücksichtigen und sich von den Lösungsansätzen daraus inspirieren lassen sollte. (Foto: Brandrevier)

 

Der Wirtschaftsredakteur Carlo Sporkmann lehnt eine ausschließlich ökonomische Perspektive auf das Bauen und Sanieren ab. (Foto: Brandrevier)

 

Christian Poprawa forderte, dass wir uns von dogmatischem Denken lösen und stattdessen verschiedene Sichtweisen und Lösungsansätze akzeptieren müssen. (Foto: Brandrevier)

 

Um voranzukommen, sprach sich die Architekturkommunikatorin Kathrin Albrecht klar gegen ein „Das haben wir schon immer so gemacht“ aus. (Foto: Brandrevier)

 

Die Anwesenden waren sich einig, dass ein deutliches Bekenntnis zum Umdenken, zur Veränderung und zum Wandel unerlässlich ist. (Foto: Brandrevier)

 

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